Der Riß im Bild
Es begann mit einer Spalte. Einem Haarriß im Gewebe der Zeit. Dort: im Dazwischen; wo Licht zittert, wo Schatten schweben. Matthias Koch – kein Fotograf, nein, ein Sammler von Bruchstellen! Sein Eschaton ist keine Serie, kein Projekt, sondern eine Wunde. Offen, klaffend, atmend.
Hier schließt nichts ab. Hier gibt es keine Erklärung, nur Andeutungen. „Die Welt bricht auseinander“, sagt Eschaton, „aber sie tut es leise.“ Die Bilder: nicht starr, sondern vibrierend. Das Flimmern einer sterbenden Sonne, das Gleißen über einem leeren Feld. Alles ruft: Ende! Alles fragt: Und dann?
Koch hat sich die Motive nicht gesucht. Sie haben ihn gefunden, so behauptet er. „Der Stein spricht“, sagt er, „die Ruine singt.“ Es ist eine Sprache, die keiner mehr hört. Koch übersetzt nicht; er deutet hin. Auf den Horizont, auf die Schattenlinien, auf das, was verschwinden will.
Es sind Bilder der Pause. Der Atem zwischen zwei Stürzen. Was bleibt, wenn alles fällt? Frag nicht, die Bilder sagen es dir nicht. Sie sind keine Antworten, sondern Finger, die in die Tiefe weisen. „Apokalypse“ – das ist das Wort, das oft kommt, wenn man Eschaton betrachtet. Aber Koch zuckt die Schultern. „Jedes Ende ist ein Knoten, kein Punkt.“
Was sieht man? Landschaften, sagen die Einen. Seelenzustände, die Anderen. Beides stimmt und keins davon. Koch: ein Magier des Unausgesprochenen. Ein Chronist der Dämmerung. Seine Eschaton-Bilder oszillieren, sie sind nie fest. Der Moment, in dem die Flamme flackert, kurz bevor sie verlischt – dieser Moment ist überall.
„Schönheit in der Ruine?“ fragen die Skeptiker. Und ja, Koch nickt, natürlich. „Die Wunde ist das einzige, was die Wahrheit zeigt.“ Diese Schönheit aber ist keine sanfte, keine beruhigende. Sie schmerzt. Sie reißt dich mit, genau wie die Risse im Gestein, die Risse in der Zeit.
Nach Eschaton, was dann? Koch lacht, und das Lachen ist wie seine Bilder: kurz, offen, schwebend. „Vielleicht Wiederaufbau. Vielleicht nichts.“ Doch seine Augen sagen mehr. Der Blick eines Mannes, der die Welt beobachtet, wie sie bricht – und die Splitter aufhebt.
Was bleibt? Nicht Antworten. Nicht Ruhe. Nur das Flüstern der Schatten und der Wind, der die Bilder streichelt. Eschaton – der letzte Blick vor dem Fall, der erste Schritt ins Unbekannte. Ein Ende, das nicht endet. Ein Anfang, der nicht beginnt. Ein Riß im Bild.